Es darf bezweifelt werden, ob es funktioniert, das Leben eines Mannes mit nur einem Wort zu beschreiben. So wird's auch in Orson Welles Citizen Kane argumentiert. Dann aber folgt die Serie berühmter Shots, die in der Grossaufnahme dieses einen Wortes mündet: "Rosebud". Wir erinnern uns, dass so Charles Foster Kanes Schlitten hiess, den er in der Kindheit besass. Es war sein Schlitten, bevor man ihn von seiner Familie trennte und seinem neuen Vormund übergab. "Rosebud" beschreibt die Sicherheit, die Hoffnungen, ja die Unschuld der Kindheit. Ein Mann kann sein ganzes Leben darauf verwenden, diesen Zustand wiederherzustellen. "Rosebud" mag für Vergänglichkeit stehen, mit Sicherheit für etwas, das Kane nie bekam oder verlor, folgert der Reporter über Kanes letztes Wort zu Lebzeiten. "Rosebud" vermag nicht alles zu erklären, womöglich nichts. Es ist aber auch eine bemerkenswerte Demonstration, dass eben nicht alles erklärt werden kann. Orson Welles Film liebt derartige Paradoxe. Überhaupt ist die ganze Oberfläche von Citizen Kane ein vergnügtes Spiel mit uns Zuschauern. Jeder kann alles (oder nichts) darin erkennen. Citizen Kane, das grosse Geheimnis der Filmgeschichte! Wir kennen die Geschichte des Werks, wie RKO Welles versprach, einen Film ganz nach Belieben zu drehen. Er entschied sich für ein Drehbuch, das inspiriert worden war vom Leben des Zeitungsmoguls William Randolph Hearst. Der lebte in einem Anwesen, das man wohl als Schloss bezeichnen könnte und steht stellvertretend für die Murdochs oder Trumps dieser Welt. Welles selbst hatte vor allem Erfahrungen im Bereich der Hörspiele (wir kennen auch die Geschichte, wie ein Welles Radio-Stück über eine Alien-Invasion Amerika in Angst und Schrecken versetzte). Citizen Kane folgt einer kreisförmigen Struktur - doch wer konnte je die Szenefolge von Citizen Kane in Erinnerung behalten? Die Chronologie von Citizen Kane folgt emotionalen Gesetzen, nicht denen der Zeit. Randvoll ist das Werk mit grandiosen Einstellungen wie den Türmen von Xanadu. Die Geschichte Kanes ist immer auch die seiner Zeit: Die Geburt des Radios, der spanisch-amerikanische Krieg, die Kraft der aufkommenden Maschinen... Natürlich weiss der Film, dass der Kindheits-Schlitten nicht die Antwort auf alles sein kann. Vielmehr zeigt er, wie unser Leben nach dem Tod durch die Perspektive anderer in Erinnerung bleiben wird. Das ganze Leben, ein Rollenspiel und im Gedächtnis werden die verschiedenen Rollen, die wir einnahmen, bleiben. Kane, der Zeitungsmogul, unterhielt Millionen, starb aber ganz allein. Er hatte eine politische Karriere und eine geschäftliche, stellte aber seine Geliebte über beide. Er war verheiratet, aber auch das blieb zweitrangig. Das stärkste Bild: Kane, der durch den eigenen Anspruch überfordert wird und sein Imperium verliert. Er unterschreibt die Verträge seines Nachlasses und verschwindet in der Dunkelheit des Bildes. Die Relationen des Raumes im Vergleich zu seiner selbst wirken nicht mehr stimmig; alles erscheint überdimensioniert. Dann geht er auf uns zu, wächst und wächst. Doch ist es nicht allein unsere Perspektive, durch die wir ihn betrachten? Kane selbst bleibt doch immer gleich gross. -
It may be doubted whether it works to describe a man's life in just one word. This is also the argument in Orson Welles Citizen Kane. But then comes the series of famous shots, which culminates in the close-up of this one word: "Rosebud". We remember that Charles Foster was called Kane's sled, which he owned in his childhood. It was his sled before he was separated from his family and handed over to his new guardian. "Rosebud" describes the security, the hopes, even the innocence of childhood. A man can spend his whole life restoring this condition. "Rosebud" may stand for transience, certainly for something Kane never got or lost, the reporter concludes about Kane's last word in his lifetime. "Rosebud" can't explain everything, possibly nothing. But it is also a remarkable demonstration that not everything can be explained. Orson Welles' film loves such paradoxes. In general, the whole surface of Citizen Kane is a happy game with us viewers. Everyone can see everything (or nothing) in it. Citizen Kane, the great secret of film history! We know the history of the work, as RKO Welles promised to shoot a film at will. He chose a script inspired by the life of newspaper mogul William Randolph Hearst. He lived in an estate that could probably be called a castle and stands for the Murdochs or Trumps of this world. Welles himself had experience mainly in radio plays (we also know the story of how a Welles radio play about an alien invasion frightened America). Citizen Kane follows a circular structure - but who could ever remember the scene of Citizen Kane? Citizen Kane's chronology follows emotional laws, not those of time. The work is full to the brim with grandiose shots like the towers of Xanadu. Kane's story is always that of his time: the birth of radio, the Spanish-American war, the power of the emerging machines... Of course, the film knows that the childhood sled cannot be the answer to everything. Rather, it shows how our life after death will be remembered through the perspective of others. The whole life, a role play and in memory will remain the different roles we took. Kane, the newspaper mogul, entertained millions, but died all alone. He had a political career and a business one, but put his lover above both. He was married, but even that remained secondary. The strongest picture: Kane, who is overwhelmed by his own demands and loses his empire. He signs the contracts of his estate and disappears into the darkness of the picture. The relations of space to itself no longer seem coherent; everything seems oversized. Then it approaches us, grows and grows. But isn't it only our perspective through which we look at it? Kane himself always remains the same size.
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Eure letzten Kommentare„Citizen Kane“ ist ohne Frage
„Citizen Kane“ ist ohne Frage ein Meisterwerk, das seinesgleichen sucht. Orson Wells Biopic über den fiktiven Medienmagnaten Charles Foster Kane besticht in so ziemlich jeder Hinsicht und ist definitiv eine zeitlose Charakterstudie. Die Handlung fesselt über seine 114 Minuten durchweg, wird doch in Rückblenden das Leben von Kane aufgeschlüsselt und Puzzleteil für Puzzleteil zu einem großen Ganzen vereinigt, von seinem Aufstieg bis zu seinem Fall. Kane war ein Mann, der alles hatte und doch nichts. Reich war er, keine Frage. Doch kann man sich mit Reichtum Liebe oder Glückseligkeit kaufen?
Orson Wells hatte dabei als Produzent, Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller eine immense Last zu stemmen, die er jedoch bravourös meisterte. Er verkörpert den anfangs leichtsinnigen und sympathischen, später verbitterten und vom Leben gezeichneten Kane mit einer unglaublichen Intensität. Er schaffte es dabei, die Charaktere bis in die Nebenrollen hinein perfekt zu besetzen und ging bei den Dreharbeiten an die Grenzen des Möglichen (z.B. die Szene mit dem betrunkenen Leland).
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