Am 31. August 1928 erlebt Brechts Dreigroschenoper ihre Premiere im Theater am Schiffbauerdamm, also dem Berliner Ensemble. Eine Oper nach dem Text von Bertolt Brecht mit der Musik von Kurt Weill - ein riesiger Erfolg. "Ein Versuch, der völligen Verblödung der Oper entgegen zu wirken"; so Brecht, der natürlich mit dem Nimbus des Ignoranten auftritt. In Joachim A. Langs Kinofilm verkörpert Lars Eidinger Brecht mit Stahlbrille und Zigarre. Aber Halt! Das hier ist kein typisches Biopic, in dem ein Schauspieler die Gestalt einer historischen Figur annimmt. Dreigroschenfilm wirkt wie ein Essay, wie überhaupt Film entsteht. Es geht um den gescheiterten Versuch, Brechts Oper nach seinen Vorstellungen zu verfilmen. Wer erinnert sich an die Prinzipien von Brechts Theater? Vor allem Künstlichkeit wird da gefordert. In dem sich der Zuschauer des Künstlichen dort auf der Bühne in jedem Moment gewahr wird, beginnt er, distanziert nachzudenken (und sich nicht etwa in der Welt des Stücks gedankenlos fallen zu lassen). Deshalb ist Brecht nicht bereit, sich den Erwartungen der Filmindustrie zu beugen. Er sucht den Blick HINTER die Realität. Der Filmproduzent aber denkt über Publikumserwartungen und Zensur nach, weswegen Brecht die Produktionsfirma verklagt. Ein Dichter inszeniert die Wirklichkeit. Er scheitert. Der Film wird fertiggestellt. Was wir sehen, ist komplex und eben kein "Brecht Film". Tatsachen und Imagination werden miteinander verbunden, dazu gibt's Archivmaterial von Ereignissen wie dem Berliner Blutbad 1929. Zeitliche Fragen der damaligen Weimarer Republik und die Fragen, wie Kunst, zu sein hat. Die Aufgaben der Kunst? Wie autonom ist der Künstler? Wie überführt man Literatur in filmische Bilder? Wie inszeniert man Brechts Verfremdungs-Theorie? Es gibt im Dreigroschenfilm keine Dialoge. Das, was die Figur Brecht sagt, wird vom echten Brecht zitiert. "Zeigen, dass man zeigt" - der Film nimmt Brechts Forderung ernst. Ganz Brechts Prinzipien folgend, wird die Handlung durch Kommentare unterbrochen (den Zwischentiteln von Brechts Theater entsprechend). Alles ist Kulisse und Ausstattung; wir bemerken das. "Der Film erzählt die Geschichte eines nie gemachten Films", aber doch scheint der Dreigroschenfilm Brecht gerecht werden zu wollen. Das ist spannend! Noch spannender; wir erleben die Geschichte eines entfesselten Kapitalismus, der im Faschismus aufgeht und müssen an Hier & Heute denken. - On August 31, 1928, Brecht's Threepenny Opera premiered at the Theater am Schiffbauerdamm, the Berlin Ensemble. An opera based on the text by Bertolt Brecht with music by Kurt Weill - a huge success. "An attempt to counteract the complete stupefaction of opera," says Brecht, who naturally appears with the nimbus of the ignorant. In Joachim A. Lang's feature film Lars Eidinger embodies Brecht with steel glasses and cigar. But stop! This is not a typical biopic in which an actor takes the form of a historical figure. Threepenny film seems like an essay, how film is made at all. It's about the failed attempt to film Brecht's opera according to his performances. Who remembers the principles of Brecht's theater? Above all, artificiality is demanded. By becoming aware of the artificial there on stage at every moment, the spectator begins to think distantly (and not to let himself fall thoughtlessly in the world of the play). Brecht is therefore not prepared to bow to the expectations of the film industry. He looks BACK for reality. The film producer, however, thinks about audience expectations and censorship, which is why Brecht is suing the production company. A poet stages reality. He's failing. The film is finished. What we see is complex and not a "Brecht film". Facts and imagination are combined with archive material from events such as the Berlin bloodbath of 1929, questions of the Weimar Republic at the time and questions of art. The tasks of art? How autonomous is the artist? How do you convert literature into cinematic images? How do you stage Brecht's alienation theory? There are no dialogues in the threepenny film. What the character Brecht says is quoted by the real Brecht. "Show that you show" - the film takes Brecht's demand seriously. Following Brecht's principles, the plot is interrupted by comments (according to the intertitles of Brecht's theater). The film tells the story of a never made film", but the three-penny film seems to do justice to Brecht. This is exciting! Even more exciting; we experience the story of an unleashed capitalism that merges into fascism and have to think of here & now.
So, 02/09/2018 - 16:00
Directed by:
Joachim Lang
Schauspieler:
Jesse Albert
Peri Baumeister
Christian Bronchart
Henry Buchmann
Video:
Trailer
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