Berlin 1998 kurz vor dem Besuch des Papstes. Das Obdachlosenpaar Hanna und Victor, die drogenabhängige Prostituierte Patty und Jochen, ihr Freier, dann noch der Angestellte Peschke mit einem schwarzen Kind, das niemand am Flughafen abholte - sie alle führen eine Existenz im Schatten dieses Besuchs. Sie sind Nachtgestalten. Ihre Geschichten um ein Taxi, ein Hundertmarkschein und die Suche nach einer Unterkunft für die Nacht werden locker miteinander verbunden. Die Charaktere wirken teilweise zwar etwas stereotyp, dennoch lebt Nachtgestalten von einem Gefühl der Sehnsucht und kleiner schöner Gesten der gegenseitigen Hilfe. Berlin während der 90er bei Nacht, Andreas Dresen hat das Gefühl der Zeit eingefangen, als Berlin noch eine Stadt war, die in den Kinderschuhen steckte. Für mich war das damals die Stadt der versteckten Clubs, doch solche Nachtgestalten wie Patty (immer auf der Suche nach dem nächsten Fix, aber einen kurzen Moment lang von Freier Jochen ehrlich gerührt) gehörten eben auch zum Bild dieses "alten" Berlins. Die Hülle Berlins war damals noch nicht so aufpoliert, die Fassaden der Gebäude noch grau und dreckig, die Einschusslöcher aus dem Krieg nicht alle ausgebessert. Das, was wir als grossen Abenteuerspielplatz benutzten, das sah immer auch aus wie ein Ort der Einsamkeit und des Elends. Andreas Dresen betont diese triste Seite, wenn Peschke den schwarzen Jungen für eine Nacht bei sich aufnimmt. Dresen schafft das Kunststück, die Verzweiflung seiner Figuren immer wieder mit Komik zu verbinden. Wer sich noch an die schlimmen deutschen Beziehungs-Komödien aus Köln oder München aus den 90ern erinnert, der weiss diese leise Komik umso mehr zu schätzen! Nachtgestalten steht nicht nur für die "Rückkehr des Sozialen" im deutschen Kino. Nachtgestalten zeigt die Menschen und das Leben wie sie in "echt" auch vorstellbar sind. Dieser Realismus wird wundervoll ausgeleuchtet - achte mal auf die kunstvolle Farbgebung! Ein sehr sehr schönes Portrait des Nachtlebens einer Stadt, die so nicht mehr existiert. - Berlin 1998 shortly before the Pope's visit. The homeless couple Hanna and Victor, the drug-addicted prostitute Patty and Jochen, their suitor, then the employee Peschke with a black child who nobody picked up at the airport - they all lead an existence in the shadow of this visit. They are night figures. Their stories about a taxi, a hundred mark note and the search for accommodation for the night are loosely connected. Some of the characters may seem a bit stereotypical, but night figures live from a feeling of longing and small beautiful gestures of mutual help. Berlin during the 90s at night, Andreas Dresen captured the feeling of the time when Berlin was still a city in its infancy. For me it was the city of hidden clubs, but such night figures as Patty (always looking for the next fix, but for a short moment honestly moved by Freier Jochen) were also part of the picture of this "old" Berlin. The shell of Berlin wasn't so polished at that time, the facades of the buildings still grey and dirty, the bullet holes from the war not all repaired. What we used as a big adventure playground always looked like a place of loneliness and misery. Andreas Dresen emphasizes this sad side when Peschke takes the black boy with him for a night. Dresen succeeds in combining the despair of his figures with comedy again and again. Anyone who remembers the bad German relationship comedies from Cologne or Munich in the 90s will appreciate this quiet comedy all the more! Nachtgestalten does not only stand for the "return of the social" in German cinema. Nachtgestalten shows people and life as they are imaginable in "real". This realism is wonderfully illuminated - pay attention to the artistic colouring! A very beautiful portrait of the nightlife of a city that no longer exists like this.
Kommentare
Eure letzten KommentareHmm, meine Meinung schwankt
Hmm, meine Meinung schwankt noch ein wenig. Inzwischen bin ja schon begeisterter Dresen-Fan muß ich zugeben. Bei Nachtgestalten muß ich allerdings während des Schreibens noch ein wenig darüber nachdenken, welche Wertung der Film erhält. Eines steht fest, er ist ein ziemlich gutes (Kino)Debüt und hat bei Erscheinen wahrscheinlich zu Recht auf mehr hoffen lassen. Schauplatz ist das nächtliche Berlin, gezahlt wird noch in Deustchen Mark. Erzählt werden mehrere Geschichten über Menschen die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Geschäftsmann, der seinen Abend mit einem afrikanischen Kind verbringt, dass keinen Ton herausbringt, ein Obdachlosenpärchen, das sich auf Grund des unerwarteten Reichtums von 180DM einen schönen Abend im Hotel machen will, der Bauer aus dem Norden, der das Abenteuer sucht, stattdessen aber an eine scheinbar minderjährige Junkiebraut gerät und die unsägliche Bande von Kiddipunks. Ich muß sagen die Charaktere sind alle ziemlich überspitzt dargestellt meiner Meinung nach. In diesen Überspitzungen liegt viel Wahrehit, das muß ich auch zugeben, ich mein wer hat nicht schonmal erlebt, wie z.B. Obdachlose oder Junkies in gewissen Situationen einfach völlig aus der Haut fahren können und so ganz anders reagieren als der "Normalbürger"? Das Nordlicht ist evtl auch ein wenig zu naiv in mancher Hinsicht, oder er hat einfach nur ein wahnsinnig großes Herz und dafür fehlt es an anderer Stelle weiter oben.
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