Road Movies Pt. II

Beide sind ziemlich dumm, aber gleichwohl, sie ziehen ihre grösste Dummheit einfach durch. Sie ist 25 Jahre alt und er auch, beiden wird das Kind vom Staat Texas genommen, weil sie nicht in der Lage sind, Eltern zu sein. Deshalb verhilft sie ihm zum Ausbruch aus dem Gefängnis und beide führen eine Auto-Parade quer durch Texas an, um ihr Kind wieder zu bekommen. Steven Spielbergs erster Kinofilm basiert auf einer wahren Geschichte und trägt noch ein typisches Merkmal von "New Hollywood": Die PKW Parade. Eine sehr amerikanische Geschichte, in der ein wahrer Vorfall zum Ereignis aufgebaut wird. Im Grunde müssten beide wissen, dass es für sie keine Chance gibt. link trailer

Letzte Nacht war er auf einer phantastischen Weinprobe und deshalb ist Miles Raymond am Morgen etwas unpässlich. Ein alkoholisierter Morgen, der sich bis zum Nachmittag streckt, bis zum nächsten Drink. Miles jedenfalls ist noch etwas zittrig. Ein echter Alkoholiker scheint er nicht, wohl aber ein Geniesser, der noch in dem Moment geniesst, da die Meisten bereits unterm Tisch liegen. Deshalb hat er seinen unveröffentlicheten Roman auch The Day After Yesterday genannt. Geübte Trinker wissen, dass sich so der Tag nach einer durchzechten Nacht anfühlt. link trailer

Kann man eine Beziehung aufbauen zu einem autistischen Menschen? Anders ausgedrückt; wer kann erahnen, was ein autistischer Mensch gerade denkt? In dieser Situation befindet sich Charlie Babbitt (Tom Cruise). Sein Bruder Raymond (Dustin Hoffman) ist Autist. Er kann Gespräche führen. Durchaus. Nur eben etwas anders. Er hält sich penibel an den Zeitplan. Er erstellt Basketball Statistiken. Er merkt sich die Karte im Restaurant. Alles, was seine Routine verändert, stört ihn. Natürlich kann er auch schätzen, wie viele Zahnstocher dort herunter gefallen sind. Oder eine Quadratwurzel errechnen. Aber was denkt Raymond? Der Höhepunkt von Rain Man verdeutlicht die Frustration Charlies darüber, wenn er seinen Bruder anbrüllt, dass er wüsste; da muss doch jemand drinnen sein! link trailer

In A Perfect Wold erleben wir einen Gefängnis-Ausbruch, eine Verfolgungsjagd quer durch Texas, eine Geiselnahme, zwei Morde - und doch befinden wir uns nicht in einem Thriller. Der Film ist viel interessanter und tiefgründiger als die Summe seiner Teile! Es geht um die wahre Natur von Gewalt. Dabei treffen zwei Ikonen aufeinander; zwei stille Superstars: Kevin Costner und Clint Eastwood. Costner spielt einen Flüchtigen, der eine Geisel nimmt, Eastwood einen Texas Ranger, der ihn verfolgt. Costner scheint aber nicht auf die Flucht konzentriert zu sein und Eastwood nicht primär um die Verfolgung. Vor langer Zeit begegneten sich beide Männer zum ersten Mal. Sie wissen, dass es hier nicht um eine Verfolgung geht. Es geht um alte tiefe Wunden. Dabei scheint die Ausgangslage so vertraut, dass die Gefahr eines Hollywood Copy & Paste Drehbuchs zu bekommen. Und dann überrascht uns Eastwoods Film, der ruhige Momente von vollkommener Wahrheit findet. Das bietet den kurz zuvor mit Oscars überhäuften Kostner und Eastwood eine subtile Traurigkeit zu entdecken, die sie zuvor so nicht verkörpern durften. link trailer

Ein Mann, der aus der Wüste kommt. Ganz allein, ohne Zukunft und ohne Vergangenheit. Kurz vor dem Verdursten stösst er auf eine Baracke, in der ein deutscher Exilant ihn versorgt. Der Deutsche nimmt die Brieftasche des Fremden, um seine Identität zu erfahren und ruft den Bruder an. Als ich diese ersten Minuten von Paris Texas zum ersten Mal gesehen hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, wie der Film nun weitergehen würde. Wer viele Filme sieht, kennt diese Gefühl: Ganz gleich, ob ein Werk grossartig ist oder nicht, meistens weiss man recht schnell, was als nächstes geschehen wird. Bei Paris Texas ist das anders und das allein macht Wenders Film so faszinierend. Es scheint, als betrachten wir ein Bild, dass sich bewegt, aber keine aneinander gereihten Dialoge mit Bildern untermalt. Wenders hat ein ganz und gar individuelles Werk geschaffen über Verlust und Einsamkeit. link trailer

Peter Bogdanovichs Film über die grosse Depression wirkt wie ein Tribut an das Filmschaffen dieser Zeit. Wir erleben die Geschichte von Addie, eines kleinen Mädchens. Addie sieht die Welt genauso wie sie ist und das ist wohl der Grund, weshalb sie fast nie lächelt (obwohl sie sich aber auch nicht unterkriegen lässt!). Paper Moon beginnt am Grab ihrer Mutter, deren Interessen ganz bestimmt nicht der Tochter galten. Von einem Fotografen erfahren wir, dass Addies Mutter von der übelsten Sorte war. Addie selbst sieht aus wie ein Tomboy im Flannelhemd mit Kappe. Während der Beerdigung naht in letzter Minute ein uraltes Auto mit einem Bibelverkäufer, der unter Umständen Addies Vater sein könnte. Sein Name ist Moses und er wird gespielt von Ryan O'Neil. Beide verkaufen fortan Bibeln an Witwen, die angeblich die verstorbenen Männer bestellt hatten, wobei sich Addie dabei noch besser anstellt als ihr Lehrmeister. Der Bibelbetrug wird von Bogdanovich einerseits als Spiel benutzt, das die beiden zusammenschweisst - zum anderen ist es aber auch tief ergreifend. link trailer

Verhöhnt Alexander Payne seine Figuren? Ich habe mir die Frage bereits nach seinen früheren Filmen gestellt, ganz besonders aber bei Nebraska. Im Mittelpunkt steht der senile Korea Veteran und Alkoholiker Woody Grant (Bruce Dern). Woody ist jedenfalls dumm genug zu glauben, er hätte in der Lotterie gewonnen nachdem er einen dieser Werbebriefe erhielt (die der Rest der Bevölkerung in den Müll wirft). Nun will er zu Fuss nach Licoln/Nebraska wandern, um sein Geld abzuholen. Das sind 900 Meilen! Bereits als wir Woody zum ersten Mal auf der Strasse sehen, erliegen wir seinem Charme: Bruce Dern spielt ihn genauso ahnungslos wie unverdorben. Woody ist tatsächlich ein so reiner Mensch, dass einem das Herz brechen will! Wir erinnern uns, dass Dern während seiner langen Karriere meist für Psychopathen und Schurken herhalten musste - das hier aber ist der Auftritt seines Lebens! link trailer

Natural Born Killers ist eine Anklage gegen die Art und Weise, wie wir heute leben. Eine Anklage gegen unsere Gesellschaft, die sich mehr für Skandale oder Verbrechen interessiert als für sonst irgendwas. Deshalb stehen die "Helden" in Oliver Stones Film Mickey und Mallory (Woody Harrelson und Juliette Lewis) auch für die neuen All Americans. Sie sind Massenmörder, die in ganz Amerika ihr Unwesen treiben und dafür sorgen, dass jeder ihre Namen kennt. Sie suchen nach Anerkennung für ihre Verbrechen. Natural Born Killers handelt aber nicht nur von ihren Verbrechen, sondern auch davon, wie sie medial ausgeschlachtet werden, um uns zu unterhalten. Wir - die Öffentlichkeit - soll elektrisiert und erheitert werden. Natural Born Killers handelt von dieser Leere, dieser moralischen Leere. link trailer

Ein Mensch, der an Narkolepsie leidet, ist auf die Hilfe seiner Umgebung angewiesen. Bleibt er schlafend irgendwo auf der Strasse liegen, muss ihn jemand forttragen. River Phoenix spielt Mike Waters den Narkoleptiker in Gus van Sants Drama. Es ist schwer für ihn, sich wirklich auf etwas einzulassen, denn jederzeit kann der Schlaf ihn übermannen. Überflüssig zu bemerken, dass die Krankheit auch für Mikes Arbeit als Stricher nicht förderlich ist. Mike lebt in einer unwirklichen Welt, seiner eigenen. Wir müssen uns das so vorstellen, als ob er auf Droge ist. Er existiert ausserhalb der Zeitrechnung, die für uns gilt - innerhalb seiner eigenen Konditionen. link trailer

Wäre Ernesto Guevara de la Serna später nicht der Popstar "Che" geworden, der unzählige T-Shirts und ich fürchte auch Kaffeetassen etc ziert, niemand würde sich für diesen Trip von Argentinien nach Peru interessieren. Es ist einer der unzähligen Filme über junge Männer, die irgendwann aufwachen und dann "Che", Dalai_Lama oder sonstwer sind. Für diejenigen, die sich nicht allzu sehr mit Che Guevara befassten, ist er ein Volksheld. Wer genauer in seiner "Philosophie" liest, bemerkt, dass er auch repressiv und autoritär war. Genau wie sein Mitkämpfer Fidel würde ich ihn eher dem rechten Spektrum zuordnen und nicht den "Kommunisten". Che behauptet, er würde sein Volk lieben. Deren Freiheit, eine eigene Meinung auszusprechen oder aufzuschreiben aber war damit nie gemeint! Am Ende wurde aus Kuba mehr oder weniger das, was sich jemand wie der "Che" wohl erträumte... link trailer

Man nehme ein absolutes Minimum an Handlung und ein Maximum elementarer Action und schaffe daraus ein Epos. So entwickelt der Australier George Miller seine Vision einer apokalyptischen Zukunft - und zwar nicht anhand von Dialogen und Charakteren, sondern anhand von BILDERN. Dazu dröhnt die Tonspur und alles, was du siehst, ist aggressiv und schonungslos. Jegliche Überreste an Zivilisation sind weg gebrochen; es herrschen Chaos und Anarchie. Nur Autos sind den Menschen geblieben - und sehr wenig Benzin. Um das kämpfen sie in marodierenden Banden. Der Mensch der Zukunft mordet für Benzin. Die Autos sehen aus wie bizarre Monster. Mit Stahlpfosten vorne dran, an die du deine Feinde kettest (dann sterben sie zuerst). Die Krieger auf den Autos sehen aus wie verwunschene Rocker oder psychodelische Cowboys. Sie sprechen kaum. Mad Max alias Mel Gibson sagt höchstens dreihundert Worte. Er verhält sich wie ein klassischer Cowboy. Seine Aufgabe: Die Benzin Vorräte braver Menschen vor den Vagabunden zu verteidigen. link trailer