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sans soleil
Mo, 01/10/2018 - 17:45

Auch der Dokumentarfilm ist fiktional. Allerdings eine Fiktion wie keine andere. Immerhin trägt er den Anspruch, direkt einen Zugang zur "Welt" herzustellen (und nicht zur Fiktion der "Welt"). Hinter diesem Anspruch erkennen wir eine gewisse moralische Überlegenheit. Die surrealistische Doku besitzt dagegen einen Sonderstatus. Schon Robert Flaherty versuchte in Nanook Of The North, nicht-inszeniertes und inszeniertes Filmmaterial nebeneinander zu verwenden, um das Leben der Eskimos darzustellen. Benjamin Christensen sprang in Häxan sogar von einer Realitäts-Ebene in die nächste. Häxan darf somit als Prototyp des surrealistischen Dokumentarfilms gelten! Der Surrealismus verwischt die Grenze zwischen Fakt und Fiktion. Denken wir nur an die Verwendung von Footage Material über Skorpione in Luis Bunuels L'Age D'Or oder Jean Vigos A Propos De Nice: Subjektivität, Kino-Eye, Satire oder Sozialfilm? Was denn nun? Bunuels ethnographischer Surrealismus gipfelte in Las Hurdes. Das Elend, das Bunuel in dieser Region zeigte? Einfach Erfunden. Gleichermassen reaktionär als auch revolutionär! Und L'Age D'Or? Pseudo-Geschichte und Melodram zugleich. Bis heute mit Sicherheit der revolutionärste Film überhaupt! Später verband Chris Marker "echte" Bilder mit fiktiven in Sans Soleil. Sans Soleil ist ein Reisebericht - in dem das Reale und Imaginäre aber verschmelzen. Sergei Eisenstein dagegen lehnte den Surrealismus ab. Sehen wir uns aber seinen zum Scheitern verurteilten Film !Que Viva Mexico! an, finden wir genau die Rezepte von surrealistischen Künstlern wie Jean Painlevé, Henri Storck, Georges Franju, Alain Resnais, Humphrey Jennings und Jan Svankmajer wieder: Den Sinn für parallele Welten! Das Poetische in der Darstellung der "Realität". Am deutlichsten zu erkennen bei Humphrey Jennings, der selbst in der Arbeitswelt eine Art grimmiger Poesie erkannte. In den Worten Picassos ist die Kunst schliesslich eine Lüge, die uns wiederum die Wahrheit erkennen lässt. Der Surrealist, möchte man hinzufügen, spricht der Wahrheit einfach nur das ab, was wir traditionell mit "real" umschreiben. - Even the documentary film is fictional. However, it is a fiction like no other. After all, it carries the claim of directly establishing an access to the "world" (and not to the fiction of the "world"). Behind this claim we recognize a certain moral superiority. The surrealistic documentary, on the other hand, has a special status. In Nanook Of The North, Robert Flaherty already tried to use unstaged and staged film material side by side to depict the life of the Eskimos. In Häxan, Benjamin Christensen even jumped from one level of reality to the next. Häxan can thus be regarded as the prototype of the surrealist documentary film! Surrealism blurs the line between fact and fiction. Do we only think of the use of footage material about scorpions in Luis Bunuel's L'Age D'Or or Jean Vigo's A Propos De Nice: subjectivity, cinema eye, satire or social film? What is it now? Bunuel's ethnographic surrealism culminated in Las Hurdes. The misery that Bunuel showed in this region? Simply invented. Both reactionary and revolutionary! And L'Age D'Or? Pseudo-history and melodrama at the same time. To this day, it is certainly the most revolutionary film ever! Later Chris Marker combined "real" images with fictional ones in Sans Soleil. Sans Soleil is a travelogue - in which the real and the imaginary merge. Sergei Eisenstein, on the other hand, rejected surrealism. But if we look at his film !Que Viva Mexico!, doomed to failure, we find exactly the recipes of surrealist artists like Jean Painlevé, Henri Storck, Georges Franju, Alain Resnais, Humphrey Jennings and Jan Svankmajer: the sense for parallel worlds! The poetic in the representation of "reality". Humphrey Jennings, who himself recognized a kind of grim poetry in the world of work, is most clearly recognizable. In Picasso's words, art is, after all, a lie that in turn allows us to recognize the truth. The surrealist, one might add, simply denies the truth for what we traditionally describe as "real". (Wir stellen nicht die Filme, nur die links zur Verfügung)

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Mit den Methoden des Cinema Verite verfolgt Raoul Ruiz die Wahlen in Paris 1979.
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Am Anfang von Chris Markers Sans Soleil erklärt der Erzähler, was für ihn ein Bild des Glücks sei: Man sieht darauf drei Kinder in Island auf der Strasse spielend. Mit dem Versuch, das Bild mit anderen Bildern zu vergleichen, scheiterte er. Was folgt daraus: Dass wir unsere eigenen Realitäten suchen und erschaffen müssen! link trailer
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Benjamin Christensens gern und oft zensiertes Doku-Drama aus dem Jahr 1922 führt uns ein in einen teuflischen Sabbat. link trailer + DU FINDEST DEN GANZEN FILM FREI AUF YOUTUBE

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