Deutscher Film 1930-1933

Es liegt wohl in der DNA der Deutschen, dass sie neuen Technologien gegenüber zurückhaltend reagieren. Abwartend, ob das Neue auch etwas taugt. So ist es heute angesichts der Digitalisierung und so war es auch schon in den 20ern des letzten Jahrhunderts. Lange Zeit sträubten sich die Deutschen gegen die Einführung des Tonfilms. Erst Anfang der 30er – als die Amerikaner fast ausschliesslich Tonfilme produzierten - stellte man um. Davor traf die Weltwirtschaftskrise 1929 den deutschen Film hart: Massenarbeitslosigkeit, Rückgang der Zuschauerzahlen, als auch die Erhöhung der Produktionskosten für Filme. Nur noch eine Frage der Zeit, bis die UFA und Bavaria verstaatlicht werden sollten. Und wer hat 1930 die NSDAP ernst genommen, die bereits eine eigene Filmabteilung gegründet hatte? Würden wir eine solche Abteilung denn heute ernst nehmen? Bereits 1930 bereitete man vor, „nicht arische“ Filme mit einem Aufführungsverbot zu belegen. Trotzdem erlebt die Filmkunst in Deutschland in den Jahren zwischen 1930 bis 1932 eine kurze Blüte. Eine zweite Blüte, muss man festhalten. Die Zeiten waren unsicher, gleichwohl ob sozial oder politisch. Zeiten aber, die künstlerische Projekte begünstigen. Einige Filmemacher griffen auf die Themen und Stilmittel des Expressionismus zurück, die meisten Filme um 1930 sahen aber bereits ganz anders aus. Das Dilemma: Viele Künstler hegten eine Abneigung gegen Krieg und Gewaltherrschaft, vermochten sich aber nicht, zu artikulieren. Obwohl man mit der sogenannten „Neuen Sachlichkeit“ durchaus reale Filme gedreht hatte. Fritz Lang schloss mit „M“ (1930) und „The Testament Of Dr. Mabuse“ (1933) an seine Kriminalfilme der 20er an. In „M“ wird ein Kindermörder von der Unterwelt und der Polizei gejagt und gestellt. Ähnelte diese Hauptfigur nicht dem Cesare aus „Caligari“? Er ist nicht für seine Taten verantwortlich. Eine geheime Macht zwingt ihn dazu. Auch Dr. Mabuse ist ein Nachfahre Caligaris. Ein schizophrener Psychiater leitet eine Geheim-Organisation, doch folgt selbst den Befehlen des wahnsinnigen Mabuse. Beide Filme verdeutlichen, wie stark die organisierte Kriminalität in Berlin geworden war. Bald sollte sie zu staatlichem Terror führen... In „M“ nennen sich die Verbände der Unterwelt „Organe des gesunden Volksempfindens“. Letztlich richten sie den Kindermörder gemeinsam mit der Polizei. Gab es echte deutsche Stars während dieser Hochzeit des deutschen Films? Ein Paradox, dass ausgerechnet der Amerikaner Josef von Sternberg mit seinem einzigen deutschen Film „The Blue Angel“ (1930) DEN deutschen Weltstar schlechthin erschuf: Marlene Dietrich. „The Blue Angel“ war der Tradition des expressionistischen Films verpflichtet. Die Umwelt diente als Metapher einer Seelenlandschaft. Professor Unrat wirkt wie ein Nachkomme aus Murnaus „The Last Laugh“. Ein Gefangener seiner Triebe. Dietrichs Lola dagegen erscheint wie die Verkörperung zerstörerischer Sexualität. Immer wieder vergessen: Georg Wilhelm Pabst, der in den frühen 30ern drei grosse Filme drehte:. Er überwand die Neutralität der „Neuen Sachlichkeit“. Endlich einmal wagte sich jemand an zeitgeschichtlich relevante Themen! „Westfront 1918“ (1930) ist zwar nicht mehr sehr bekannt bei euch, darf aber als Pabsts Meisterwerk gelten! Ein Kriegsfilm, der den Krieg nicht verklärt. Der Krieg erscheint als reines Grauen. Brechts „The 3 Penny Opera“ (1931) entsagt jeglichem Realismus. Er spielt in einem stilisierten London, wobei nicht wenige behaupten, dass eben diese Hochglanz Ästhetik den Geist von Bertolt Brecht und Kurt Weill verrät. Eben keine Dreigroschenoper! „Kameradschaft“ (1931) handelt von einem Gruben-Unglück, das wiederum an den ersten Weltkrieg erinnert. Später sollte Pabst für das Hitler Regime arbeiten... Beliebt in unserer Videothek ist nach wie vor Leontine Sagans „Mädchen in Uniform“ (1931). Er erzählt die Geschichte einer Schülerin, die von ihrer Lehrerin schwärmt. Die strengen Regeln des Internats aber treiben die schülerin an den Rand des Selbstmords. Einer der sogenannten „Triebfilme“, der aber sein Milieu ernst nimmt. „Berlin Alexanderplatz“ (1931) von Pier Jutzi kombiniert Spielfilmhandlung mit Doku-Sequenzen – wie Alfred Döblins Roman. Anders als der Roman aber bleibt Jutzis Film merkwürdig neutral. „So ist das Leben halt“. Wirklich? Der einzige kommunistische Film seiner Zeit war „Kulhe Wampe“ (1932) von Slatan Dudow. Bertolt Brecht schrieb die Vorlage, Hanns Eisler komponierte die Musik. Er zeigt ein Bild des Elends: Nachdem einer Familie die Wohnung gekündigt wird, zieht sie in eine Laube. Kennen wir dieses Problem heute nicht auch? Daneben – während die grosse Depression ihren Lauf nahm – produzierte man Unterhaltungsfilme. Luis Trenkers „Der Rebell“ (1932) oder „Berge in Flammen“ (1931), vor allem aber Lustspiele und Operetten. Darf man Wilhelm Thieles „Die Drei von der Tankstelle“ (1930) als erstes Musical überhaupt bezeichnen? Die einzige Filmemacherin, die ihren Stil der Weimarer Republik in der NS Zeit fortsetzen konnte, war Leni Riefenstahl. „The Blue Light“ (1932) ist eine Fantasy Produktion in eigener Regie. Es geht ihr vor allem um technische Rafinesse, die Bergwelt in ein mystisches Zwielicht zu tauchen. Später sollte sie Hitler kennen lernen und bis zu ihrem Tod von ihm schwärmen... - It is probably in the DNA of the Germans that they are reluctant to accept new technologies. Waiting to see if the new is any good. That's the way it is today in the face of digitalization and that's the way it was in the 20s of the last century. For a long time the Germans were reluctant to introduce sound film. It wasn't until the beginning of the 30s - when the Americans were producing almost exclusively sound films - that there was a changeover. Before that the world economic crisis of 1929 hit the German film business hard: mass unemployment, decrease of the audience figures as well as the increase of the production costs for movies. It was only a question of time till the UFA and Bavaria should be nationalized. And who took the NSDAP seriously in 1930, which had already founded its own film department? Would we take such a department seriously today? As early as 1930, preparations were being made to impose a performance ban on "non-Aryan" films. Nevertheless, the cinematic art in Germany experienced a brief blossoming in the years between 1930 and 1932. A second flowering, it must be noted. The times were uncertain, whether social or political. But times that favour artistic projects. Some filmmakers resorted to the themes and stylistic devices of Expressionism, but most of the films made around 1930 already looked quite different. The dilemma: many artists had an aversion to war and tyranny, but were unable to articulate themselves. Even though real films had been made with the so-called "New Objectivity". Fritz Lang followed up his crime movies of the 20's with "M" (1930) and "The Testament Of Dr. Mabuse" (1933). In "M" a child murderer is hunted and caught by the underworld and the police. Didn't this main character resemble the Cesare from "Caligari"? He is not responsible for his actions. A secret power compels him to do so. Dr. Mabuse is also a descendant of Caligari. A schizophrenic psychiatrist leads a secret organization, but even follows the orders of the insane Mabuse. Both films illustrate how strong organized crime had become in Berlin. Soon it would lead to state terror... In "M" the underworld associations call themselves "organs of healthy public feeling". In the end they judge the child murderer together with the police. Were there real German stars during this wedding of German cinema? A paradox that the American Josef von Sternberg of all people created THE German world star par excellence with his only German film "The Blue Angel" (1930): Marlene Dietrich. "The Blue Angel" was in the tradition of expressionist cinema. The environment served as a metaphor for a landscape of the soul. Professor Unrat looks like a descendant of Murnau's "The Last Laugh". A prisoner of his urges. Dietrich's Lola, on the other hand, seems like the embodiment of destructive sexuality. Always forgotten: Georg Wilhelm Pabst, who made three great films in the early '30s. He overcame the neutrality of the "Neue Sachlichkeit". At last someone dared to tackle contemporary historical themes! "Westfront 1918" (1930) may not be very well-known with you anymore but it can be regarded as Pabst's masterpiece! A war film that does not glorify war. The war appears as pure horror. Brecht's "The 3 Penny Opera" (1931) renounces all realism. It takes place in a stylized London, whereby quite a few claim that it is precisely this high gloss aesthetic that betrays the spirit of Bertolt Brecht and Kurt Weill. Not a Threepenny Opera! "Kameradschaft" (1931) is about a mine accident, which in turn reminds us of the First World War. Later, Pabst was to work for the Hitler regime... Leontine Sagan's "Girl in Uniform" (1931) is still popular in our video store. It tells the story of a student who raves about her teacher. But the strict rules of the boarding school drive the student to the brink of suicide. One of the so-called "driving movies", but one that takes its milieu seriously. "Berlin Alexanderplatz" (1931) by Pier Jutzi combines feature film action with documentary sequences - like Alfred Döblin's novel. Unlike the novel, however, Jutzi's film remains strangely neutral. "That's life for you". Really? The only communist film of his time was "Kulhe Wampe" (1932) by Slatan Dudow. Bertolt Brecht wrote the script, Hanns Eisler composed the music. It shows a picture of misery: after a family is evicted from its apartment, they move into an arbour. Don't we know this problem today? In addition - while the Great Depression was running its course - entertainment films were produced. Luis Trenker's "The Rebel" (1932) or "Mountains in Flames" (1931), but above all comedies and operettas. May one call Wilhelm Thiele's "Die Drei von der Tankstelle" (1930) the first musical ever? The only filmmaker who continued her style of the Weimar Republic during the NS era