Deutscher Herbst

„Ich werfe keine Bomben, ich mache Filme“ (Fassbinder). Die Entführung Hans Martin Schleyers 1977, der deutsche Herbst, Filme wie Die dritte Generation von Fassbinder oder Stammheim von Hauff sind nicht mehr Filme über die Gegenwart, sondern Vergangenheit. Ist das Kino überhaupt ein Ort für Aufklärung wie es Stammheim annimmt? 1977 ist die Idee der Revolution abgedroschen, im Kino kommt Deutschland im Herbst, ein Film zwischen Dokument und Fiktion, Die dritte Generation und Die bleierne Zeit, noch ganz in der Lesart der RAF in gegensätzlichen, grundverschiedenen Perspektiven. Nach Stammheim lief lange nichts, die 68er wurden bürgerlich, die RAF kein Kinomaterial mehr. Mit Die innere Sicherheit und Black Box BRD gab es auf einmal ein neues vermehrtes Interesse am deutschen Herbst, obschon so weit entfernt wie die Nazizeit für die 68er Revolutionäre. Im Kino aber ist der deutsche Herbst so präsent als ober er gerade erst gewesen ist. In Christian Petzolds Die innere Sicherheit wirkt die Zeit des Terrorismus bis spät in die 90er nach, weil eine Familie (die Eltern wohl ehemalige RAF Aktivisten) seitdem auf der Flucht ist. Petzold interessiert am Politischen das Private und zeigt die Adoleszenz Probleme der Tochter, die ohne eigene Schuld auf der Flucht ist. Black Box BRD blickt differenziert zurück, der Baader Meinhoff Komplex plakativ, Die Stille nach dem Schluss mit intellektueller Schärfe, Baader auf dem Niveau der Bravo. Der Rückblick auf den deutschen Herbst erfolgt nicht mit dem Abstand den man erwarten könnte. In den militanten 68ern sieht man heute die Schuldigen für alles mögliche: Die Anarchisten, Militaristen, Stalinisten und Maoisten sind zu Sündenböcken geworden, irgendwie steckt in ihnen noch der Nazi von gestern und auch schon der Spiesser von morgen. Es ist eine Geschichte des Scheiterns. Der Terrorist der bleiernen Zeit lädt immer noch zu wilden Stammtischdebatten ein. Es ist umso bemerkenswerter, wie objektiv und souverän die Produktionen aus der Zeit um 1978 das Thema RAF beleuchten: Die bleierne Zeit, Deutschland im Herbst oder Die verlorene Ehre der Katharina Blum sind differenzierte Filme, die einmal mehr beweisen, welch hohes Niveau der deutsche Autorenfilm der 70er hatte. Der Filmemacher Reinhardt Hauff gar schuf zwei Werke, die ebenso die Linken als auch die Rechten gegen ihn aufbrachten: Messer im Kopf und Stammheim sind nicht so bekannt wie die Filme von Fassbinder und Schlöndorff zur RAF, aber viel explosiver. Stammheim gewann 1984 die Berlinale, führte aber auch zum Eklat, Auflösung der Jury und Gewaltbereitschaft vor dem Kino. Die Linken demonstrierten gegen Stammheim genauso wie die Rechten, der Film, der nach den Original Stammheim Prozessakten inszeniert ist, konnte immerhin alle gegen sich aufbringen. Ironie des Schicksals, dass der Generation, die nach dem Krieg und in den 50ern ihr Unwesen trieb, filmisch längst vergeben wurde mit schmalziger Geigenmusik und unschuldigen Bildern: Während die Kriegs- und Nachkriegszeit mit weich gezeichneter Sympathie im Kino vorgeführt wird, müssen die 68er und ihre militanten Nachkommen mit Härte und Verbissenheit rechnen. - "I don't throw bombs, I make movies" (Fassbinder). The kidnapping of Hans Martin Schleyer in 1977, the German autumn, films like Die dritte Generation von Fassbinder or Stammheim von Hauff are no longer films about the present but about the past. Is cinema a place for enlightenment at all, as Stammheim accepts it? In 1977, the idea of the revolution was worn out; in the cinema, Germany comes in autumn, a film between document and fiction, The Third Generation and The Leaden Age, still in the RAF's reading in contrasting, fundamentally different perspectives. Nothing went on after Stammheim for a long time, the 1968ers became bourgeois, the RAF no longer had any cinema material. With Die innere Sicherheit and Black Box BRD there was suddenly a new increased interest in the German autumn, although as far away as the Nazi period for the revolutionaries of 1968. In the cinema, however, the German autumn is as present as it has just been. In Christian Petzold's Die innere Sicherheit, the time of terrorism continues until late in the 90s, because a family (the parents are probably former RAF activists) has been on the run ever since. Petzold is interested in the political and the private and shows the adolescence problems of her daughter, who is on the run through no fault of her own. Black Box BRD looks back in a differentiated way, the Baader Meinhoff complex strikingly, the silence after the end with intellectual sharpness, Baader on the level of Bravo. The review of the German autumn does not take place with the distance one might expect. In the militants of 1968 one sees today the culprits for all sorts of things: The anarchists, militarists, Stalinists and Maoists have become scapegoats, somehow they are still the Nazi of yesterday and already the spitfire of tomorrow. It is a history of failure. The terrorist of the leaden times still invites to wild regulars' table debates. It is all the more remarkable how objectively and sovereignly the productions from the time around 1978 illuminate the subject of the RAF: Die leadierne Zeit, Deutschland im Herbst or Die verlorene Ehre der Katharina Blum are differentiated films that once again prove the high level of German auteur film of the 70s. The filmmaker Reinhardt Hauff even created two works, which were as much a left-wing as a right-wing opposition to him: Messer im Kopf and Stammheim are not as well-known as the films by Fassbinder and Schlöndorff about the RAF, but much more explosive. Stammheim won the Berlinale in 1984, but it also led to a scandal, the dissolution of the jury and a readiness to use violence in front of the cinema. The left demonstrated against Stammheim just like the right, the film, which is staged after the original Stammheim trial files, could at least turn everyone against itself. The irony of fate is that the generation that was up to no good after the war and in the 1950s was long since forgiven for its filmed fate with narrow violin music and innocent images: While the war and post-war years are shown with soft sympathy in the cinema, the 1968ers and their militant descendants have to reckon with hardness and doggedness.