Es gibt Klassiker, die wirken lebendiger als andere. Ich verleihe sie in der Filmkunstbar Fitzcarraldo immer und immer wieder! 12 Angry Men ist genauso ein Klassiker. 12 Angry Men ist ein Gerichtsdrama, so seine äussere Form. Der Zweck des Films aber ist ein Crash Course darin, ob einem Angeklagten vor Gericht ein fairer Prozess zuteil wird unter Voraussetzung der Unschuldsvermutung. Im Grunde beschränkt sich 12 Angry Men auf einen Raum (abgesehen von einer knappen Einleitung) - am heissesten Tag des Jahres. Vom eigentlichen Prozess aber sehen wir nichts ausser der routinierten Langeweile des Richters. Etwas in seinem Tonfall verrät uns, dass das Urteil wohl bereits feststeht. Die Beweisführung kriegen wir jedoch nur indirekt mit durch die Diskussion der Geschworenen. Die meisten Gerichtsfilme bieten zum Ende eine Auflösung an: Schuldig oder unschuldig. 12 Angry Men interessiert das weniger, dafür umso mehr die vernünftigen Zweifel (zumindest einiger) der Geschworenen an der Schuld des Angeklagten. Obwohl die meisten damit wohl ihre Probleme haben mögen, gilt die Unschuldsvermutung. Die Spannung in 12 Angry Men entsteht aber nicht nur durch diese Annahme, sondern wird über personelle Konflikte in dem klaustrophobisch kleinen Raum erzeugt. Die Kamera sorgt geschickt dafür, den Raum noch enger erscheinen zu lassen, so dass die Männer tatsächlich mit dem Rücken zur Wand stehen. Keine Action, dafür die Kraft der Dialoge und der Ausdruck der Körpersprache machen 12 Angry Men aus. Kann sich Logik gegenüber Emotionen und Vorurteilen durchsetzen? 12 Angry Men möchte ich als stilisierten Realismus bezeichnen, weil die Regie und Fotographie sich ganz dem Plot unterordnen. Bliken wir zurück: 12 Angry Men kam 1957 ins Kino zu einer Zeit, da sich Technicolor und 70mm gegen das Fernsehen durchzuetzen versuchten. Wie dünn und geradezu ärmlich mag dagegen dieses Kammerspiel gewirkt haben? Der Film bekam begeisterte Kritiken, enttäuschte aber an den Kinokassen. Erst über die Jahre konnte sich das Werk als einer der rennomiertesten Filme aller Zeiten durchsetzen. Ursprünglich war 12 Angry Men eine Live TV Produktion (ein Film wird im Fernsehen live übertragen), später machte der New Yorker Sidney Lumet daraus einen Kinofilm. Lumet hatte reichlich Erfahrungen gesammelt mit der Inszenierung von TV Dramen, 12 Angry Men war sein Kino Debüt. Produziert wurde der Film von Henry Fonda, der als einziger Star fungiert. Neben ihm die besten New Yorker Schauspieler ihrer Zeit wie Martin Balsam. Sie rauchen, schwitzen, fluchen und werden schliesslich wütend. Alle zwölf werden vorgestellt in ihrer Persönlichkeit, womit sie ihr Leben unterhalten, ihren Gefühlen und Vorurteilen. Oft kam es mir so vor, als sei Lumets Film in Echtzeit inszeniert. Wohlbemerkt, der Film handelt nicht davon, wie ein Verbrechen aufgelöst wird. Er handelt davon, einen jungen Mann in den Tod zu schicken. Darüber wird entschieden - was aber, wenn sie falsch liegen? Der Angeklagte ist dunkelhäutig (wobei nicht näher spezifiziert) und der Geschworene Nummer 10 (Ed Begley) unterstellt sofort, dass diese Burschen mit der Lüge geboren seien. Der Film nimmt die Perspektie des Henry Fonda Charakters ein: Unschuldig. Nicht alle Geschworenen aber, die an die Schuld des Angeklagten glauben, werden negativ gezeichnet. Sidney Lumet hat in seinem ersten Film so wie in vielen folgenden ein für die amerikanische Öffentlichkeit strittiges Thema gewählt. So wie in den meisten seiner Filme begegnet er dabei der Intelligenz seiner Zuschauer mit einer Hochachtung wie sie rar ist im Kino. - There are classics that seem more alive than others. I lend them out again and again at the Fitzcarraldo Film Art Bar! 12 Angry Men is also a classic. 12 Angry Men is a court drama, so its outer form. The purpose of the film, however, is a crash course in whether a defendant is given a fair trial in court on the assumption of innocence. Basically, 12 Angry Men is limited to one room (apart from a brief introduction) - the hottest day of the year. But we don't see anything of the actual trial except the judge's routine boredom. Something in his tone of voice tells us that the verdict has already been reached. However, we only get the evidence indirectly through the discussion of the jury. Most court films offer a resolution at the end: Guilty or innocent. 12 Angry Men is less interested in that, but all the more interested in the reasonable doubts of (at least some) jurors about the defendant's guilt. Although most of them might have their problems with that, the presumption of innocence applies. The tension in 12 Angry Men is not only caused by this assumption, but also by personal conflicts in the claustrophobically small room. The camera cleverly makes the room appear even narrower, so that the men actually stand with their backs to the wall. No action, but the power of the dialogues and the expression of the body language make up 12 Angry Men. Can logic prevail over emotions and prejudices? 12 I would like to call Angry Men stylized realism because the direction and photography are completely subordinated to the plot. Let's go back: 12 Angry Men came to the cinema in 1957 at a time when Technicolor and 70mm were trying to assert themselves against television. How thin and almost poor might this intimate play have looked? The film got enthusiastic reviews, but disappointed at the box office. Only over the years the work was able to assert itself as one of the most renowned films of all times. Originally 12 Angry Men was a live TV production (a film is broadcast live on TV), later the New Yorker Sidney Lumet turned it into a feature film. Lumet had gained a lot of experience with the staging of TV dramas, 12 Angry Men was his cinema debut. The film was produced by Henry Fonda, who is the only star. Beside him the best New York actors of their time like Martin Balsam. They smoke, sweat, swear and finally get angry. All twelve are introduced in their personality, with which they entertain their lives, their feelings and prejudices. It often seemed to me that Lumet's film was staged in real time. Note that the film is not about how a crime is resolved. It is about sending a young man to his death. This is decided - but what if they are wrong? The defendant is dark-skinned (not specified) and jury number 10 (Ed Begley) immediately assumes that these guys were born with the lie. The film takes the perspective of the Henry Fonda character: Innocent. However, not all jurors who believe in the guilt of the accused are drawn negatively. Sidney Lumet has chosen a controversial topic for the American public in his first film as in many others. As in most of his films, he treats the intelligence of his viewers with the kind of respect that is rare in the cinema.
Kommentare
Eure letzten KommentareEin einzigartiger Film, der
Ein einzigartiger Film, der in nur einem Raum gespickt mit 12 interessanten Charakteren sehr gut Spannung aufbaut. Trotz weniger Cuts und kaum Musik als Hilfsmittel schaffen es das starke Drehbuch sowie die grandiosen Darsteller einen in diesem Raum an einen 13. Stuhl zu fesseln. Psychologisch ist der Film ebenfalls höchstspannend und zeigt clever das Verhalten von Gruppen und ihrer Mitglieder. Einer DER Klassiker, der auch abgesehen vom psychologischen Anspruch sehr unterhaltsam, satirisch und auch witzig ist. Hier wird alles Mögliche herausgeholt.
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