So, 04/07/2021 - 20:06
Directed by:
Andrey Zvyagintsev
Schauspieler:
Maryana Spivak
Aleksey Rozin
Matvey Novikov
Video:
Trailer
Andrey Zvyagintsev ist Russlands berühmtester Filmemacher der Gegenwart und doch nicht geladen zu Veranstaltungen wie dem FIPRESCI Colloquium über das zeitgenössische russische Kino in St. Petersburg. Er gilt als "westlicher" Filmemacher, der Russland in einem zu negativen Licht erscheinen lässt. Zvyagintsev selbst hat seinen Film mit Ingmar_Bergman verglichen, zeigt er doch auch die bittere Scheidung eines Paares. Da Loveless einen schonungslosen Blick auf das moderne Leben und seine verbitterten Protagonisten wirft, fallen mir gleich noch mehr Vergleiche zum Autorenkino der letzten 50 Jahre ein. Im Unterschied zu vergleichbaren Vorbildern aus Europa, erscheint es mir aber unmöglich, mir Zvyagintsevs Werke als Abrechnung mit dem florierenden Westen insgesamt vorzustellen. Seine Filme spielen in Russland und handeln nur von Russland. Es geht hier deshalb nicht nur um eine dysfunktionale Ehe. Loveless funktioniert wie eine Metapher für eben diese russische Gesellschaft, die derartige Charaktere hervorbringt. Und die Ehe von Boris (Alexey Rozin) und Zhenya (Maryana Spivak) liegt bereits in Trümmern als wir sie zum ersten Mal treffen. Sie giften sich an, aus jedem Satz klingt Verachtung. Sachlich geht es schlicht darum, wo nach der Trennung der zwölfjährige Alyosha bleiben soll. Keiner von Beiden will ihn. Also bleibt nur ein Internat, denn dort lernt er schon mal Disziplin. Alyosha muss später ja sowieso zur Armee! Während des Gesprächs muss Zhenya auf die Toilette. Die Kamera bleibt hinter der Tür hängen, dort wo im Halbdunkel Alyosha steht. Mit vor Verzweiflung verzerrten Gesicht. Loveless führt uns Gefühle vor, die einem Abgrund des Schmerzes gleichen. Die meiste Zeit aber wirken die Charaktere wie betäubt. Sie sind mit sich selbst und ihren Smartphones beschäftigt. Während der ersten Hälfte beleuchtet Loveless das Ende einer Ehe. Beide haben schon neue Beziehungen begonnen; sie mit einem reichen Unternehmer, er mit einer Jüngeren. Boris junge Frau ist schwanger, seine grösste Sorge gilt seiner Arbeit. Dann plötzlich verschwindet Alyosha. Nicht nur aus seinem Umfeld, sondern gänzlich aus dem Film. Die zweite Hälfte von Loveless wirkt wie ein Thriller und erzählt von der Suche nach Alyosha. Sie handelt von der Ignoranz der Polizei und von der wachsenden Verzweiflung der Eltern. Loveless spielt in Russland, einem Land mit Zügen der Apokalypse. Es ist eine Parabel und hält doch immer die Balance zwischen Metaphorik und Realismus. Der Titel könnte dabei kaum exakter sein. Die gesamte Ehe war von Beginn an lieblos. Vor allem aus Zhenyas Sicht, die ungewollt schwanger wurde und Angst vor einer Abtreibung hatte. Woher kommt diese willenlose Unterordnung unter eine lieblose Beziehung? Zvyagintsev suggeriert die Antwort darauf, da wir während der Suche nach dem Jungen auch die religiöse Mutter Zhenyas kennenlernen. Boris nennt sie nur "Stalin in a skirt". Die Suche nach Alyosha wiederum lässt uns verstehen, weshalb Menschen in Not einander helfen. Ist es nicht so, um sich selbst etwas besser zu fühlen? Doch das ist nicht der einzige gesellschaftliche Verweis, den Loveless anstrengt. Während der letzten Filmminuten erleben wir gemeinsam mit den Protagonisten eine Nachrichten-Sendung über die Annektion der Ukraine. Wie wenig hat diese offizielle Version der russischen Medien mit der Vision des Künstlers Andrey Zvyagintsev über sein Land gemein? - Andrey Zvyagintsev is Russia's most famous contemporary filmmaker and yet not invited to events such as the FIPRESCI Colloquium on contemporary Russian cinema in St. Petersburg. He is considered a "Western" filmmaker who makes Russia appear in too negative a light. Zvyagintsev himself has compared his film with Ingmar_Bergman, as he also shows the bitter divorce of a couple. Since Loveless takes a ruthless look at modern life and its bitter protagonists, I can think of even more comparisons to the author's cinema of the last 50 years. In contrast to comparable models from Europe, however, it seems impossible to me to imagine Zvyagintsev's works as a settlement with the flourishing West as a whole. His films are set in Russia and are about Russia only. So this isn't just a dysfunctional marriage. Loveless works like a metaphor for this very Russian society that produces such characters. And the marriage of Boris (Alexey Rozin) and Zhenya (Maryana Spivak) is already in ruins when we meet them for the first time. They were aching, every sentence sounds contempt. Objectively it's simply about where the twelve-year-old Alyosha should stay after the separation. Neither of them want him. So there is only one boarding school left, because there he already learns discipline. Alyosha has to join the army later anyway! During the conversation Zhenya has to go to the toilet. The camera hangs behind the door where Alyosha stands in twilight. With a face distorted in desperation. Loveless shows us feelings that resemble an abyss of pain. Most of the time, however, the characters seem to be stunned. They are busy with themselves and their smartphones. During the first half, Loveless sheds light on the end of a marriage. Both have already started new relationships; they with a rich entrepreneur, he with a younger one. Bori's young wife is pregnant, his main concern is his work. Then suddenly Alyosha disappears. Not only from his environment, but completely from the film. The second half of Loveless is like a thriller and tells of the search for Alyosha. It is about the ignorance of the police and the growing despair of parents. Loveless plays in Russia, a country with trains of the apocalypse. It is a parable and yet always maintains the balance between metaphorics and realism. The title could hardly be more precise. The whole marriage was loveless from the beginning. Especially from Zhenya's point of view, who got pregnant unintentionally and was afraid of an abortion. Where does this willless submission to a loveless relationship come from? Zvyagintsev suggests the answer, since during the search for the boy we also get to know the religious mother of Zhenya. Boris only calls her "Stalin in a skirt". The search for Alyosha, in turn, makes us understand why people in need help each other. Isn't it just to make yourself feel a little better? But this is not the only social reprimand Loveless is making an effort to make. During the last minutes of the film we experience together with the protagonists a news program about the annexation of Ukraine. How little does this official version of the Russian media have in common with the artist Andrey Zvyagintsev's vision of his country? (transl. deepl.com)
Kommentare
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Fr, 09/07/2021 - 11:48
Ein außergewöhnlicher Film,…
Ein außergewöhnlicher Film, der ganz bestimmt kein Gehört findet in Putins Macho Regime. Zutiefst sensibel und sehr traurig!
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