In Michael Hanekes Amour sehen wir Feuerwehrleute, die in eine fremde Wohnung einbrechen. Wir wissen nichts über diese Wohnung und man erklärt uns nichts. Im Schlafzimmer befindet sich der Körper einer alten Frau, umgeben von getrockneten Blumen. Die sterblichen Überreste und die verblassten Erinnerungen an die Schönheit. Auftritt des Liebespaars: Emmanuelle Riva und Jean-Louis Trintignant. Obwohl sie seit Jahrzehnten Teil des französischen Kulturbetriebs sind, habe ich sie kaum erkannt. Beide sind über 80 Jahre alt. Sie sind Liebende, die den inneren Frieden gefunden haben. Sie haben sich das Recht, zusammen zu sein, verdient. Sie heissen Anne und Georges, haben ein Leben lang Musik gemacht. Die Schönheit der Musik, das war ihr Leben. Amour hat mich in vielerlei Hinsicht überrascht. Im Gegensatz zu den rätselhaften Haneke Filmen der Vergangenheit ist dieser Spoiler-fest. Die Eröffnungsszene sagt uns im wesentlichen wie der Film enden wird. Betrachten wir Anne und Georges beim Frühstück. Er merkt es nicht einmal, doch Anne ist für einen Augenblick weggetreten. Woanders. Dann kehrt sie zurück, ohne zu wissen, dass etwas passiert ist. Doch dieser kurze Moment des Wegtretens, soll der Anfang vom Ende ihrer gemeinsamen Zeit sein. Sämtliche Szenen in Amour sind Rückblenden vor dem Feuerwehreinsatz. Etwa, wenn die Tochter Eva (Isabelle Huppert) sich mehr für die Probleme, verursacht durch den Schlaganfall der Mutter, interessiert als für den Herzschmerz ihrer Eltern. Amour ist kein leichter Film. Er handelt von den Realitäten des Alters, vom Versagen und dem Zerfall des Egos. Wer erinnert sich noch an die grosse Schönheit Emmanuelle Rivas? Hier ist sie äusserlich verblasst, doch von innen leuchtet Riva noch. Und ist es nicht so? Dadurch, dass die Helden aus Filmen, die wir früher gesehen haben, altern, wird uns auch unsere eigene Sterblichkeit bewusst. Wir, das Publikum. Plötzlich ist Emmanuelle Riva steinalt! Früher oder später werden uns alle die Feuerwehrleute aufsuchen. Amour lehrt uns etwas, dass nur das Kino lehren kann in seiner Fähigkeit, über die Zeit zu springen und Leben zu transzendieren: Es lehrt uns, was es bedeutet, im Publikum der ewigen Menschheit zu sitzen. -
In Michael Hanekes Amour we see firefighters breaking into a strange apartment. We don't know anything about this apartment and they don't explain anything to us. In the bedroom there is the body of an old woman, surrounded by dried flowers. The mortal remains and the faded memories of beauty. Performance by the lovers: Emmanuelle Riva and Jean-Louis Trintignant. Although they have been part of the French cultural scene for decades, I hardly recognized them. Both are over 80 years old. They are lovers who have found inner peace. They have earned the right to be together. Their names are Anne and Georges and they have been making music all their lives. The beauty of music was their life. Amour surprised me in many ways. In contrast to the enigmatic Haneke films of the past, this one is spoiler-fest. The opening scene essentially tells us how the film will end. Let's watch Anne and Georges at breakfast. He doesn't even notice, but Anne has stepped away for a moment. Then she returns somewhere else. Then she returns without knowing that anything has happened. But this brief moment of leaving is supposed to be the beginning of the end of their time together. All scenes in Amour are flashbacks before the fire brigade mission. For example, when the daughter Eva (Isabelle Huppert) is more interested in the problems caused by the mother's stroke than in the heartache of her parents. Amour is not an easy movie. It is about the realities of old age, about the failure and decay of the ego. Who still remembers the great beauty of Emmanuelle Riva? Here she is outwardly faded, but from the inside Riva still shines. And isn't it so? As the heroes from films we have seen before age, we also become aware of our own mortality. We, the audience. Suddenly Emmanuelle Riva is as old as the hills! Sooner or later all the firefighters will visit us. Amour teaches us something that only cinema can teach in its ability to jump over time and transcend life: It teaches us what it means to sit in the audience of eternal mankind.
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