Manchmal kommen Kunden in unsere Videothek, die nach Filmen von Adolf Winkelmann fragen. Sie sind meist männlich und nicht mehr ganz jung. Winkelmann ist der filmische Poet des Ruhrgebiets und diesmal taucht er ein in die 60er Jahre. Am Horizont zeichnen sich rauchende Fabrikschlote ab - das sieht der zwölfjährige Julian Collien (Oscar Brose) von seinem Balkon aus. Sein Vater (Charly Hübner) arbeitet im Bergbau und die Mutter (Lina Beckmann) ist mit seiner Erziehung genau wie mit der Schwester überfordert. Wird es zuviel, muss der Kochlöffel herhalten, genau wie in der katholischen Schule, wenn die Lehrerin zum Rohrstock greift. Julian ist also die meiste Zeit auf sich allein gestellt. Er bricht aus und begibt sich auf Streifzüge durch die Arbeitersiedlung, hinein in eine Welt, die er noch nicht versteht. Hier leiden die Menschen unter der Enge des Milieus und von einem Wirtschaftswunder ist nichts zu spüren. Winkelmann portraitiert die Welt der Malocher mit dem rauhbeinigen Charme, der seine Filme so faszinierend macht! Am besten ist Junges Licht, wenn die Kehrseite der sauberen Moral der alten Bundesrepublik durchschlägt: Da ist die Nachbarstochter Maruscha (Greta Sophie Schmidt), eine verruchte Lolita, die Vater und Sohn um den Finger wickelt. Ihr Stiefvater überrascht Julian und verwickelt ihn in anzüglich schmierige Gespräche und schliesslich muss seine Mutter sogar wegen seelischer Störungen aufs Land. Julian läuft mit staunenden Augen durch diese Welt und imitiert die Erwachsenen. Dabei wechselt ständig die Perspektive, was Winkelmann deutlich macht, indem er zwischen Farbe und Schwarzweiss hin- und her springt. Damit arbeitet er auch stilsicher gegen die gängigen Ruhrpott Klischees an, denn im Herzen ist Junges Licht ein Abenteuerfilm geworden. Genauso verwunschen erscheinen die Arbeitersiedlungen oder die Hochöfen in der orangeroten Färbung des Himmels. Winkelmann ist eben der Poet des Ruhrgebiets! - Sometimes customers come to our video store asking for films by Adolf Winkelmann. They are mostly male and no longer quite young. Winkelmann is the cinematic poet of the Ruhr area and this time he dives into the 60s. Twelve-year-old Julian Collien (Oscar Brose) can see smoking factory chimneys on the horizon from his balcony. His father (Charly Hübner) works in mining and his mother (Lina Beckmann) is overtaxed with his education as well as his sister. If it becomes too much, the cooking spoon has to serve, just like in the Catholic school, when the teacher reaches for the cane. So Julian is on his own most of the time. He breaks out and forays through the workers' housing estate into a world he does not yet understand. Here people suffer from the narrowness of the milieu and there is no sign of an economic miracle. Winkelmann portrays the world of the Malocher with the rough-legged charm that makes his films so fascinating! Young Light is best when the other side of the clean morals of the old Federal Republic breaks through: There is the neighbouring daughter Maruscha (Greta Sophie Schmidt), a wicked Lolita who wraps father and son around her finger. Her stepfather surprises Julian and involves him in insinuatingly filthy conversations and finally his mother even has to go to the country because of mental disorders. Julian walks through this world with amazed eyes and imitates the adults. The perspective changes constantly, which Winkelmann makes clear by jumping back and forth between color and black and white. With this, he also works stylistically confidently against the current Ruhrpott clichés, because in his heart Young Light has become an adventure film. Just as enchanted appear the workers' settlements or the blast furnaces in the orange-red coloration of the sky. Winkelmann is the poet of the Ruhr!
Kommentare
Eure letzten KommentareEin wirklich schöner
Ein wirklich schöner deutscher Film, der doch unterging. Zum zweiten Mal entdecken! Das hier ist ein poetisches Märchen und doch dicht dran am echten Leben im Pott.
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